Als ich John Schwaiger traf

Im Juni 2017 traf ich auf auf dem Rathausplatz in Ludwigsburg John Schwaiger. Er war damals Mitte 60. Mir stellte er sich aber als John Robertsen vor, arbeitet auf einer Schaffarm in Neuseeland und war gerade auf einen Trip durch Europa. Er wollte hier in Europa Urlaub machen und einen Freund treffen. Dieser war aber nicht da und war auch nicht zu erreichen. Im fehlten Papiere und Geld um über Mailand nun zurück zu reisen. Die Botschaft wäre geschlossen. Er zeigte mir auf einem Zettel eine Aufrechnung welche Kosten er für die Rückreise haben würde. Es schien alles glaubhaft.

Ich wollte ihm helfen, auch mit dem Gedanken daran, wie es mir in so einer Situation gehen würde. Weit weg von daheim. Auf sich alleine gestellt. Nach einem längeren Gespräch gab ich ihm 100€ für seine Rückreise. Eine wirklich großer Batzen Geld. Ich dachte, selbst wenn ich dieses Geld nie wieder sehe, treibt mich das nicht in den Ruin. Ich hatte aber trotzdem die Hoffnung dieses Geld wieder zu bekommen.

handgeschriebene Adresse auf Papier

JOHN ROBERTSON

3, HILLS DRIVE

WHANGAREI, NZL

P.O. BOX 246

(Foto: privat)

Er gab mir seine Adresse und versicherte mir das Geld nach seiner Ankunft daheim zu überweisen. Noch dazu wartet ein kühles Bier auf mich in Neuseeland.

Das Geld kam nie zurück.

“Das macht man doch nicht!” “Das war ja klar!” “Dumm!” “Naiv!” “Wie kann man nur auf so jemanden reinfallen?” “Das würde mir nie passieren!”

Er selbst und seine Geschichte erschien glaubhaft. Nichts in seinen Erzählungen widersprach sich oder klang in diesem Augenblick unlogisch. Er hat nicht gebettelt. Nur seine Geschichte erzählt. Ich selbst bin generell ein hilfsbereiter Mensch. Möchte nicht nur egoistisch durchs Leben gehen. Und ich hatte zu diesem Zeitpunkt persönlich eine nicht so gute Zeit. Ich wollte deshalb nicht scheiße zu anderen Menschen sein und etwas Gutes tun.

Ich habe mich ziemlich geschämt dafür diesen Fehler begangen zu haben, so dumm, naiv, gutgläubig gewesen zu sein. Es war mir wirklich peinlich. Deshalb habe ich diese Geschichte bisher kaum jemandem erzählt. Diese Begebenheit hat dazu geführt dass ich niemandem mehr auch nur 1€ auf der Straße gegeben habe. Und mich auch sonst nicht gerne für irgendwas auf der Straße anquatschen lasse.

Aber ich war nicht der einzige

Immer mal wieder googelte ich den Namen und suchte die Adresse auf Google Maps. Es gibt eine ähnliche Adresse in Whangarei in Neuseeland aber darüber lies sich John nicht ausfindig machen.

Vor ein paar Tagen fiel mir der Zettel mit seiner Adresse wieder in die Hände. Warum nicht nochmal googeln? Dieses Mal öffnete ich kurz die Google Bildersuche – und fand ihn.

Foto von John Schwaiger

(Foto: m. aquila, CC BY-NC-SA 2.0)

Und mit diesem Bild kamen hunderte Kommentare von anderen Leuten die auf die genau gleiche Art von ihm hinters Licht geführt wurden. Immer erzählte er die selbe Geschichte, in der Hoffnung die Leute würden ihm mit Geld helfen. Alle ließen sich einlullen. Tranken noch ein Bier mit ihm bevor sie ihm 10, 50 und auch wie bei mir 100€ gaben. In der Hoffnung dieses Geld wieder zu erhalten sobald er wieder in Neuseeland ist. Ein paar trafen ihn mehrmals. Ein paar wenige bekamen wohl bei einem erneuten Treffen Geld von ihm zurück.

John Schwaigers Betrugs- (oder Schauspiel-) Karriere begann wohl schon in den frühen 2000ern Ein Schwede berichtet sogar von einem Treffen 1993. Schwaigers Spur führt durch ganz Mitteleuropa. Er scheint damit sein Geld zu verdienen. Er war kurzzeitig in einem Gefängnis in Aschaffenburg und verbrachte längere Zeit in und um Paris. Er besitzt einen österreichischen Pass.

Mit meinem Eintrag auf der Flickrseite und der Begegnung 2017 bin ich wohl eines der letzten Opfer. Viel scheint in den letzten Jahren nicht passiert zu sein. Es ist aber spannend plötzlich diese Menge an Informationen zu haben, zu wissen dass man doch nicht der einzige ist, der auf diese Masche reingefallen ist. Es ist wirklich faszinierend dass er das schon so lange durchzieht und dass er dieses Business in ganz Europa betreibt. Dank dem Internet können wir an dieser Chronik weiterschreiben und zusammen an diesem Krimi teil haben. Es wäre so spannend mal seine Geschichte zu hören.

Trotzdem tut es mir Leid für alle und mich die er hinters Licht geführt hat und die Hilfsbereitschaft und den Glauben an das Gute im Menschen ausgenutzt hat.

Falls ihr ihn mal trefft, gebt ihm kein Geld. Aber fragt doch mal nach seiner wahren Geschichte.


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