Akademy 2023

37 °C war die durchschnittliche Höchsttemperatur während der Akademy Konferenzwoche in Thessaloniki. Wenn man bei solchen Temperaturen aus dem Haus tritt, ist der erste Gedanke, dass man doch lieber drinnen bleiben würde. Solche Temperaturen waren selbst für Griechenland früher eine Ausnahme. Zum Beispiel wurden Temperaturen von 38 °C in Thessaloniki an keinem Tag in den fünf Jahren 1980 bis 1984 übertroffen. Aber tatsächlich hatten wir noch Glück! Die richtige Hitzewelle ereignete sich erst, als wir bereits das Land verließen. Da gab es dann ungefähr 44 °C in Thessaloniki und überall Waldbrände. Wirklich schade, dass sich das mit dem aktuellen Erstarken klimafeindlicher Politik (Leugnen der Klimakatastrophe, Grüne als Hauptgegner) nur immer weiter verschlechtern wird.

Aber ich denke mal, ich habe vermutlich bereits mein Schwarzseh-Limit für diesen Bericht überschritten, also kommen wir zu fröhlicheren Themen wie der KDE Gemeinschaft.

Internationales Treffen

Ich bin normalerweise mit viel Begeisterung bei den sozialen Zusammenkünften der Konferenz dabei. Ich spreche mit jeder Person, der ich noch nie begegnet bin und trage allgemein meinen Teil dazu bei, dass sich jeder willkommen fühlt. Ganz besonders interessant war es, mit den ortsansässigen griechischen Studenten zu reden, die an der Konferenz teilnahmen. Einer von ihnen macht bereits Anstalten bei dem Dolphin Dateimanager mitzuwirken. Ich möchte seinen Namen aber hier noch nicht nennen, um keinen unnötigen Druck zu erzeugen. Falls Sie aber in den nächsten Wochen einen neuen griechischen Namen bei den wöchentlichen KDE Fortschrittsberichten lesen, dann wissen Sie, wo der herkommt.

Manche der Griechen waren Teil der „Libre Space Foundation”, einer Organisation, die freie Software schreibt, mit der Satelliten in den Weltraum geschickt werden. Sie hielten den Eröffnungsvortrag und ihre Begeisterung für dieses außergewöhnliche Projekt war ansteckend.

Ich hingegen sitze immer noch ganz langweilig auf diesem immer heißer werdenden Planeten fest. Hatte ich die Hitze während der Konferenz bereits erwähnt? Ach, genau. Zurück zum Thema …

Seitdem ich vor ungefähr einem Jahr offiziell ein Betreuer des Dolphin Dateimanagers geworden bin, versuche ich die langfristige Gesundheit dieses Projekts im Blick zu behalten. Was das anging hatte ich eine Idee, wie bei der diesjährigen Konferenz alles fürchterlich schief gehen könnte:

Das Treffen auf den anderen Dolphin Betreuer

Ich hatte den Franzosen Méven Car, mit dem ich mir die Verantwortung für Dolphin teile, noch nie zuvor getroffen. Wir haben uns auch kaum Direktnachrichten geschickt. Nicht eine einzige vor April diesen Jahres. Das mag merkwürdig erscheinen, wenn man bedenkt, dass wir schon seit ein paar Jahren gemeinsam an Dolphin arbeiten, aber es zeigt auch, dass keine geheimen Gespräche hinter verschlossenen Türen notwendig sind, um Software weiterzuentwickeln. Das Wichtigste ist, dass man eine Arbeitsatmosphäre hat, in der technische und Nutzerfreundlichkeits-Gesichtspunkte offen besprochen werden können, ohne dabei Angst vor böswilliger Kritik oder Leistungsdruck haben zu müssen.

Eine Möglichkeit, wie unser erstes Treffen hätte ablaufen können, war, dass wir uns nicht ausstehen können. Logischerweise würden wir uns dann auch gegenseitig nicht mehr zutrauen, gute Betreuer des Dolphin Projekts zu sein. Deswegen würde dann einer von uns eine alternative Splittergruppe bilden mit klar abgegrenzten aber ähnlichen Zielen, woraufhin Dolphin in einer unangenehmen Situation zwischen Anfeindungen und schlechter Stabilität festhängen würde, was dann schlussendlich zu einem Abdriften in die Bedeutungslosigkeit führt. 😱

In Wirklichkeit ist jedoch nichts dergleichen passiert. Glück gehabt!
Aber der vorige Absatz war die erste Geschichte, die ich ihm erzählte.

Tatsächlich kommen wir großartig miteinander aus und hatten viel Zeit uns über alle möglichen Themen rund um Dolphin auszutauschen. Meiner Meinung nach haben wir sehr ähnliche Ideen darüber, welche Arbeiten noch anstehen und was die wichtigsten Etappenziele sind, um Dolphin noch viel besser zu machen.

Dolphins strategische Position

Bei der Konferenz vor einem Jahr hatte ich bereits versucht die Bereiche zu identifizieren, bei denen Dolphin noch am meisten Raum zur Verbesserung verbleibt. Deswegen hatte ich das auch als Hauptthema angesetzt. Meinen Bericht zum letzten Jahr finden Sie hier: https://wordsmith.social/felixernst/dolphin-treffen-bei-barcelona

Mittlerweile scheint es mir so, als kennten wir all die wichtigsten Aspekte, bei denen noch Nachbesserungsbedarf besteht. Wenn ich Rückmeldungen von Nutzern durchlese, sind die Kritikpunkte eigentlich immer welche, von denen ich bereits weiß. Meistens haben wir sogar bereits einen Plan, wie diese recht konkret gelöst werden könnten. Solche Lösungen sind meist „nur“ deswegen noch nicht umgesetzt, weil wir mit unserer überschaubaren Anzahl ehrenamtlicher Entwickler keine Chance haben, so etwas in absehbarer Zeit/in der Freizeit umzusetzen.

Manche dieser Lösungsansätze wurden beim Dolphin-Treffen bei Akademy besprochen.

Insbesondere die Suchfunktion in Dolphin war ein großes Thema. Es ist etwas traurig, dass sich Nutzer derzeit nicht darauf verlassen können, dass sie mit Dolphin schnell jede Datei finden, die sie suchen. Dafür gibt es zum Teil technische Gründe und zum Teil Schwachstellen bei der aktuellen Gestaltung der Benutzeroberfläche. Alles zu dem Thema können Sie hier lesen: https://invent.kde.org/system/dolphin/-/issues/46 Aktuell suchen wir nach einem klaren Entwurf, bei dem sich alle halbwegs einig sind, dass es die richtige Richtung ist. Unter dem Link finden Sie auch einen Entwurf von mir, den ich zwar echt gut finde, aber solange niemand sonst Meinungen oder Alternativvorschläge abgibt, gibt es kein klares Ziel. Es gibt auch einige weitere technische Themen zur Suche, an denen noch gearbeitet werden müsste.

Eine andere Frage ist, wie weit es Dolphin wohl bringen könnte, wenn es aus dem Linux/Unix-Ökosystem ausbräche. Projekte wie Krita und Kdenlive haben das schon vorgemacht und haben mittlerweile riesige Nutzergruppen auf anderen Betriebssystemen. Dolphin ist ja bereits einer der beliebtesten Dateimanager auf Linux und vielleicht sogar der beliebteste überhaupt. Wie populär wäre er wohl auf Windows, wenn wir die Windows-Version von Dolphin auf den gleichen Stand wie die Linux-Version bringen und sie dann bewerben würden? Aktuell scheint es unter uns niemanden zu geben, der die Software zum Wohle dieser proprietären Plattform in seiner Freizeit verbessern wollen möchte. Eine ganz ähnliche Frage stellt sich auch bezüglich anderer Plattformen wie MacOS oder Handys.

Was die aktuellen Ziele der KDE Gemeinschaft angeht, sprachen wir über besseres automatisiertes Testen unter Verwendung von Selenium und AT-SPI. Damit kommen wir allmählich wieder voran. Was Barrierefreiheit angeht, habe ich in Griechenland angefangen eine Fehlerbehebung zu programmieren: https://invent.kde.org/system/dolphin/-/merge_requests/577 Allerdings gibt es hier noch viel zu tun. Besonders unangenehm finde ich zum Beispiel, dass man derzeit durch das Drücken der Tab-Taste nicht zu den „Zurück“- und „Vorwärts“-Knöpfen kommen kann. Mehr Mithilfe würde ich hier sehr gerne sehen. Bei der Konferenz habe ich mir alle Vorträge angehört, die es zum Thema Barrierefreiheit gab, weshalb ich jetzt guter Dinge bin, dass ich solche Veränderungen sachgemäß überprüfen kann.

Um das Thema Dolphin hier abzuschließen, möchte ich noch auf Mévens (englischen) Bericht verweisen, in dem weitere Dolphin-Themen besprochen werden: https://www.bivouak.fr/dolphin-at-akademy-2023/

Außerhalb von Dolphin

…gibt es noch so viel mehr zu erzählen. So viel, dass mir gerade klar wird, dass ich wohl allmählich zum Ende kommen sollte. Viele der Vorträge können Sie sich auch online auf Peertube ansehen, um selbst einen Eindruck zu bekommen.

Einen Vortrag möchte ich aber noch hervorheben: „Lass sie sprechen: Füge deiner Anwendung Sprachausgabe hinzu“ von Jeremy Whiting. Ich mochte diesen Vortrag nicht etwa, weil ich meine, es gäbe gute Möglichkeiten Sprachausgabe speziell bei Dolphin hinzuzufügen, sondern weil er uns ermutigt etwas zu verbessern, was üblicherweise bereits als „fertig“ betrachtet werden könnte. Nehmen wir diese Webseite als Beispiel: Wenn hier ein Vorleseknopf an der Seite wäre, dann könnte man diesen Bericht wie einen Podcast anhören und ein fünfjähriges Kind könnte mithören (und sich langweilen weil es nichts damit anfangen kann). Ein ähnlicher Vortrag könnte wohl auch über das Hinzufügen von Animationen gemacht werden, um die Klarheit zu verbessern, wenn sich entweder der Zustand der Anwendung selbst oder aber der der Daten innerhalb der Anwendung ändert.

Danke an alle, die die Konferenz möglich machten

Akademy wäre eine ziemlich einsame und langweilige Veranstaltung, wenn wir nicht Spender, Sponsoren und Freiwillige hätten, die es allen ermöglichen, sich so zu treffen. Ich bin mir nicht sicher, ob eine internationale Gemeinschaft langfristig funktionieren kann, wenn es solche Treffen nicht gäbe. Es gibt mir Hoffnung, wenn Leute aus acht verschiedenen Ländern zusammen an einem Tisch sitzen und über Politik reden können, und das dann trotzdem ein erfreulicher Abend wird.

Weil ich die Verwalter der Spenden an KDE persönlich kennengelernt habe, kann ich mit voller Überzeugung sagen, dass Spenden an den KDE e.V. in guten Händen sind und mit großer Sorgfalt und Strategie ausgegeben werden, um den Fortbestand und das Wachstum der größeren KDE Gemeinschaft zu sichern. Wenn Sie auch eine gemeinnützige Spende tätigen möchten, gehen Sie zu: https://kde.org/de/community/donations/.