Der Fehmarnsund wird untertunnelt

Jetzt hat man zumindest das (wahrscheinlich) gelöst: Der Fehmarnsund bekommt im Zuge der Hinterlandanbindung der Festen Fehmarnbeltquerung einen Tunnel. Und die unter Denkmalschutz stehende Fehmarnsundbrücke, mithin Wahrzeichen Fehmarns und eines der bekanntesten Bauwerke Schleswig-Holsteins, bleibt erhalten.

Zwei große Vorteile hat die Tunnellösung, die man nicht von der Hand weisen kann: Zum einen versperrt ein Tunnel nicht den Blick auf die Sundbrücke. Zeitweise war ja sogar im Gespräch, die Sundbrücke beiderseitig mit neuen Brücken zu flankieren.

Zum anderen ist ein Tunnel nicht windempfindlich. Ich meine, wer im Norden wohnt und Radiosender wie Welle Nord, NDR2 oder R.SH hört, kennt sie ja schon zur Genüge, die Meldungen, daß wegen etwas stärkerer Windböen aus der falschen Richtung die Fehmarnsundbrücke mal wieder für bestimmte Fahrzeuge gesperrt ist. Früher waren es nur Wohnwagengespanne, mittlerweile ist es fast alles, was hohe Aufbauten hat und mit weniger als acht Tonnen Achslast herumfährt. Genau das wäre auch bei einer neuen Fehmarnsundbrücke passiert, außer man hätte die Straßenspuren mit einem wirksamen Windschutz versehen – der aber wieder Geld gekostet hätte und so weiter.

Das ist schon deshalb relevant, weil man sich die Frage stellen muß, bis zu wie hohen Windgeschwindigkeiten Rettungswagen die Sundbrücke passieren dürfen. Fehmarn hat nämlich schon seit einigen Jahren kein Krankenhaus mehr, so daß Notfälle mit dem Rettungswagen aufs Festland gefahren werden müssen, die ja immer häufiger geräumige, aber windanfällige Kastenwagen im amerikanischen Stil sind und keine Hochdach-Kleinbusse mehr. Wenn die nicht mehr nach Fehmarn fahren dürfen, hat man auf der Insel ein Problem. Und wenn dann auch Christoph  12 nicht mehr auf die Insel fliegen kann, hat man ein noch größeres.

Gut, für Bahnreisende und für Durchreisende auf der Straße wird dann der wunderbare Höhenblick über den Fehmarnsund und Fehmarn selbst entfallen, zumal auch der Regionalverkehr den Tunnel nutzen soll. Das Bahngleis auf der Sundbrücke soll ersetzt werden durch einen Radweg, der den Namen auch verdient hat. Platz wäre für einen zweispurigen Weg, wie man ihn auch aus Dänemark, den Niederlanden und anderen radverkehrstechnisch zivilisierten Ländern kennt. Das wäre aber rausgeschmissenes Geld für die Fahrbahnmarkierungen, denn die meisten deutschen Radfahrer halten sich zum einen grundsätzlich nicht an irgendwelche Regeln, und zum anderen kennen die gar keine mehrspurigen Radwege, so daß sie trotz unterbrochener Mittellinie schön als Phalanx in ganzer Wegesbreite daherkommen würden.

Unbeugsame Insulaner und Festländer

Mindestens genauso wahrscheinlich wie das Festhalten am Tunnel ist, daß sich gleich wieder Bürgerinitiativen von nicht nur Umweltschützern, sondern vor allem NIMBYs melden werden, die bis in die letzte Instanz dagegen klagen werden. Auch auf dem Festland regt sich starker Widerstand. Die Ostseebäder würden am liebsten die jetzigen Verhältnisse so behalten, also mit der bestehenden Bäderbahn mit Regionalverkehr, aber ohne durchgehenden Güterverkehr – den es ja bis Ende der 90er da tatsächlich noch gab – und vermutlich am liebsten auch ohne den internationalen Personenfernverkehr, der ja im Dezember 2019 eingestellt wurde, weil der ja auch Krach machte und Bahnübergänge belegte und so weiter. Wagrien hätte derweil wohl lieber mindestens die Verhältnisse von 2019 zurück, als Oldenburg noch von EuroCitys angefahren wurde. Generell wird viel von Umweltzerstörung und vor allem Geldverschwendung geredet – letzteres wohl zumeist von Leuten, die eh überall mit dem Auto hinfahren und die Bahn überhaupt nicht benutzen –, derweil die Dänen schon lange wie die Verrückten bauen. Man versucht ja sogar immer noch, mit den Baukosten für den Belttunnel zu argumentieren – ungeachtet der Tatsache, daß der komplette Tunnel inklusive den Bauwerken auf fehmarnscher Seite zu 100% von Dänemark finanziert wird.

Solange die Klagen laufen, kann nicht groß weiter geplant werden, geschweige denn mit dem Bau begonnen. Wenn es so weitergeht, haben die Dänen den kompletten Tunnel und ihre eigene komplette Hinterlandanbindung fertig, während man hierzulande noch in den Vorplanungen steckt und bis auf Stillegungen noch keinen Handschlag getan hat. Angesichts der grausigen Anbindungen der neuen Alpenquerungen in der Schweiz und in Österreich ist die Vorstellung noch nicht einmal so abwegig.

Aber gerade auf Fehmarn ist eine Mehrzahl der Einwohner generell gegen die FBQ. Gerade die älteren hätten am liebsten 1992 oder noch früher zurück, also: * die alten Fähren, zumindest die Deutschland und die Karl Carstens (auch wenn die langsamer waren – der Fehmaraner hat übrigens dänische Fähren gemieden wie der Teufel das Weihwasser) * Duty-Free (nicht nur Dänen, auch Fehmaraner nahmen die Fähren gern für zweieinhalbstündige Stichfahrten, nur um im Duty-Free-Shop stangenweise Zigaretten und Schnaps zu kaufen) * tagsüber mindestens alle zwei Stunden in etwa 1¾  Stunden von Puttgarden (das damals noch Fahrkartenschalter hatte) nach Hamburg * morgens und abends den „Alfred Nobel“, der die Strecke in zwei Stunden schaffte (wohlgemerkt, der führte als eigentlich reiner Schlaf- und Liegewagenzug nur einen einzelnen Sitzwagen zwischen Puttgarden und Hamburg und auch den erst nach jahrelangem Protest der Fehmaraner) * gewisse Nachtzüge für längere Reisen, vor allem D  483/482 (Kopenhagen–München/Innsbruck–Kopenhagen, Puttgarden ab 23.00  Uhr bzw. an 5.40  Uhr) * am liebsten noch ein und dasselbe Ticket für alle Züge zwischen Puttgarden und Lübeck/Hamburg, unabhängig von der Zuggattung (gab es sowieso nie, der IC „Merkur“ und später die ECs waren zuschlagpflichtig, und als der „Merkur“ noch ein rein erstklassiger TEE war, kosteten die D-Züge Zuschlag)

Interessanterweise haben diejenigen Fehmaraner, die sich im Klaren darüber waren, daß die FBQ nicht abzuwenden war, auch schon gegen den neuen Kopfhaltepunkt in Burg protestiert. Man könnte meinen, sie hätten versucht, sich ins eigene Fleisch zu schneiden, denn die FBQ würde den alten Fährbahnhof Puttgarden, zu dem Zeitpunkt den einzigen Personenbahnhof auf Fehmarn, obsolet machen. Tatsächlich wollten sie statt dessen einen Durchgangsbahnhof direkt an der Vogelfluglinie durchsetzen inklusive Zwischenhalten aller internationalen Reisezüge, um weiterhin in unter zwei Stunden von Fehmarn nach Hamburg zu kommen und in maximal einer Stunde nach Lübeck. Daß so ein Bahnhof weitab der Stadt Burg gelegen hätte, wäre für sie nicht schlimm gewesen – das tut der Fährbahnhof Puttgarden ja auch, der ja sogar ein ganzes Stück vom Dorf Puttgarden entfernt liegt. Und sie gingen – zu Recht – davon aus, daß Burg mitnichten zwei Personenbahnhöfe bekommen würde, also nicht sowohl den Kopfhaltepunkt als auch einen Durchgangsbahnhof, und wollten die für sie beste Lösung erzwingen.

Unterm Strich hätten sie sich ins eigene Fleisch geschnitten. Der Grund, warum der gesamte internationale Verkehr in Puttgarden hielt, waren nämlich nicht Fehmaraner als potentielle Passagiere, auch nicht etwaige Touristen. Tatsächlich mußten die Züge in Puttgarden sowieso halten zwecks Fährverladung nebst den damit verbundenen Rangierfahrten, und weil zwischen Zugfahrt und Rangierfahrt sowieso zwingend angehalten werden mußte. Und dann konnte man das auch an einem Bahnsteig machen und Passagiere im innerdeutschen Verkehr mitnehmen. Hätte man statt einer Fährverbindung gleich eine Brücke oder einen Tunnel gebaut, wäre jahrzehntelang der gesamte Fernverkehr zwischen Lübeck  Hbf und Nykøbing Falster (der Lokwechsel hätte dann da stattgefunden) ohne Halt durchgefahren, und auf Fehmarn wäre der alte Burger Bahnhof mit zwei, vielleicht drei Bummelzügen am Tag abgespeist worden.

Hätte Burg also seinen heutigen neuen „Bahnhof“ nicht bekommen, hätte Fehmarn jeglichen Reisezughalt verloren. Wenn dann keine Eil- oder Schnellbusse als Ersatz eingeführt worden wären, hätte man sagenhaft viel Zeit in Bussen verbracht: ab Burg eine Stunde bis Oldenburg (sofern da noch Züge gehalten hätten) mit einmal Umsteigen in Heiligenhafen, mindestens zwei bis Neustadt mit zweimal Umsteigen in Heiligenhafen und Oldenburg, und in Kiel oder Lübeck wäre man erst in drei Stunden gewesen. Zum Vergleich: Zumindest nach Lübeck brauchen die RegionalBahnen momentan knapp anderthalb Stunden – ebenso die nur saisonal an Wochenenden verkehrenden InterCitys, die ja auch die Ostseebäder mitnehmen, ein paar Zwischenhalte weniger haben, aber auch langsamer beschleunigen.

Fun facts

Fun fact übrigens: Im Zuge der FBQ wird auch der Burger „Bahnhof“ zu einem tatsächlichen ebensolchen erweitert, wenn er sowieso wegen der Bauarbeiten stillgelegt ist. Dann wird nämlich ein zweites Bahnsteiggleis eingebaut, um Mehrverkehre zu ermöglichen – darunter auch grenzüberschreitenden Regionalverkehr nach Nykøbing.

Fun fact 2: Wenn für die FBQ die Vogelfluglinie jenseits von Neustadt für mehrere Jahre komplett stillgelegt wird, sollen statt dessen durchgehende Reisebusse von und nach Lübeck verkehren – die wohl sogar noch kürzere Fahrzeiten haben sollen als die jetzigen Regionalzüge. Sofern sie nicht in Lübeck in der Rush Hour feststecken – oder wahlweise in der Hochsaison in Burg inmitten der Touristenautomassen. Jedenfalls will die DB Busse anbieten, und Flixmobility will auch ein Stück vom Kuchen abhaben und das eigene Busangebot nach Fehmarn (da fahren sie tatsächlich schon hin, da halten nämlich die Busse von und nach Kopenhagen) ausbauen.

Wenn letztere schlau wären, würden sie zusätzliche Flixbusse – sofern das keine Verbindungen von/nach Kopenhagen wären – nicht einfach nur nach Burg schicken, schon gar nicht weiter nach Puttgarden, wo ohne Zugverkehr der Hund begraben wäre, sondern zumindest im Sommer direkt nach Burgtiefe an den Südstrand verlängern. Bonuspunkte für direkte Flixbusse von Köln durchs Ruhrgebiet nach Burgtiefe, die hinter Unna erst wieder in Hamburg oder Lübeck halten.

Fun fact 3: Wenn die Hinterlandanbindung fertig ist, wird der Regionalverkehr zwischen Burg und Lübeck die Fahrzeiten haben, die früher der Fernverkehr zwischen Puttgarden und Lübeck hatte – und wegen derer man auf Fehmarn den Fernzughalt direkt an der Strecke wollte. Ich meine, die Durchschnittsgeschwindigkeit, für die die Fehmaraner kämpfen wollten, lag bei unter 100 km/h. Die EuroCitys hielten auch in Oldenburg, aber die hatte man so in den Fahrplan gelegt, daß sie auf der eingleisigen Strecke planmäßig nie Gegenzüge abwarten mußten. Die Schnellzüge hielten nicht in Oldenburg, mußten aber damit rechnen, in dem einen oder anderen Betriebsbahnhof unterwegs auf einen Gegenzug zu warten. Außerdem ist die alte Strecke der Kreis Oldenburger Eisenbahn zwischen Großenbrode und Neustadt nur für eine Höchstgeschwindigkeit von 100  km/h zugelassen, die Kurve nördlich von Heringsdorf gar nur für 80, und auch die von der Reichsbahn in den 1920er Jahren gebaute Bäderbahn zwischen Neustadt und Bad Schwartau ist nur für 120  km/h zugelassen.

Die Neubaustrecke wird nicht nur endlich zweigleisig, sondern bis Bad Schwartau durchgängig für 160  km/h ausgelegt werden. Im Regionalverkehr werden elektrische Triebwagenzüge eingesetzt werden, die das Tempo nicht nur erreichen können, sondern auch noch schneller beschleunigen als die EuroCitys damals, von den Schnellzügen ganz zu schweigen, deren Dieselloks häufig am Limit liefen, Fehmarn aus Richtung Puttgarden mit einer Vollgasorgie durchquerten und erst an der Sundbrücke 140  km/h erreichten. Noch dazu wird die Zahl der Zwischenhalte im Vergleich zum heutigen Regionalverkehr geringer, und außer in Burg dürften herzlich selten Weichen mit verringerter Geschwindigkeit abzweigend befahren werden müssen – und wenn, dann bestimmt nicht mehr mit nur 40 km/h. Eine Stunde Fahrzeit halte ich da für mehr als realistisch. Und die Züge sollen dann eventuell sogar wieder bis Hamburg durchgebunden werden, dann inklusive langem Zwischenhalt in Lübeck mit einer Gesamtfahrzeit von maximal zwei Stunden.

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