Fachsprache, Teil 1: Bahnhof, Strecke usw.

Der Begriff „Bahnhof“ wird tatsächlich sehr häufig falsch verwendet. Auch der Begriff „Strecke“ wird mitunter auf Gleisanlagen angewendet, die gar keine Strecke sind.

Was, mag sich der Leser fragen, ist daran falsch? Und wie ist die korrekte Verwendung?

Bahnhöfe vs. freie Strecke

Grundsätzlich teilen sich Eisenbahnnetze auf in einerseits Strecken und andererseits Bahnhöfe.

Die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung in Deutschland definiert Bahnhöfe wie folgt:

„Bahnhöfe sind Bahnanlagen mit mindestens einer Weiche, wo Züge beginnen, enden, ausweichen oder wenden dürfen. Als Grenze zwischen den Bahnhöfen und der freien Strecke gelten im allgemeinen die Einfahrsignale oder Trapeztafeln, sonst die Einfahrweichen.“

Wie ein Bahnhof genau aussieht, ist irrelevant. Wenn an einer eingleisigen Strecke irgendwo im Nirgendwo ein zweites Gleis liegt, vielleicht noch mit einem kleinen Betriebsgebäude daneben, aber ohne Bahnsteige, dann ist das ein Betriebsbahnhof – also trotzdem ein Bahnhof. Selbst Goetheweg an der Brockenbahn ist ein Bahnhof. Da gibt es zwar nur eine Weiche, an der ein neigungsloses Stumpfgleis von der 30‰ geneigten Brockenbahn abzweigt, und weder einen Bahnsteig noch ein Empfangsgebäude. Aber es ist ein Bahnhof, und dort kreuzen regelmäßig Züge, auch wenn es für einen davon bedeutet, ein Stück weit rückwärts fahren zu müssen.

Wenn man umgekehrt einen oder mehrere Bahnsteige hat, vielleicht sogar ein Empfangsgebäude, aber keine einzige Weiche, dann ist das kein Bahnhof, sondern ein Haltepunkt. Sogar Hamburg-Dammtor ist eigentlich nur ein Haltepunkt – es gibt ja keine Weichen – und liegt damit streng genommen auf freier Strecke. Die nächsten Weichen liegen erst wieder im Hauptbahnhof oder in der Überleitstelle Sternschanze, dem letzten Rest des ehemaligen Bahnhofs Sternschanze.

Alles, was zwischen Bahnhöfen liegt, gilt also als freie Strecke. Grundsätzlich sind auf Strecken keine Rangierfahrten erlaubt, sondern nur Zugfahrten, die eigenen Vorschriften unterliegen. Auch auf Sicht darf nur in ausdrücklichen Ausnahmefällen gefahren werden und auch das nur mit maximal 40 km/h. Ansonsten wird nach den Signalen gefahren.

In Bahnhöfen wiederum sind Rangierfahrten erlaubt. Hier sind die Vorschriften lockerer, so sind durchgehende Bremsen nicht nötig (meistens ist nur die Rangierlokomotive gebremst, um sich den zeitlichen Aufwand des Kuppelns und Entkuppelns der Bremsleitungen nebst Bremsprobe zu sparen). Rangierfahrten werden auf Sicht und nach Schutzhaltsignalen gefahren – Signale für Zugfahrten haben beim Rangieren keine Gültigkeit. Dafür ist aber die zulässige Höchstgeschwindigkeit beim Rangieren noch geringer als beim Fahren auf Sicht auf der Strecke. Sofern der Bahnhof an mindestens eine Strecke angeschlossen ist – ist er meistens –, sind auch Zugfahrten möglich, die dann auf eine Strecke übergehen und/oder von einer Strecke kommen.

Um mit einem weiteren Irrtum aufzuräumen: Der Bahnhof meint die komplette Anlage innerhalb der Einfahrsignale (bzw. Trapeztafeln auf einigen Nebenbahnen bzw. „Halt für Rangierfahrten“-Tafeln an Streckengleisen, die aus dem Bahnhof herausführen und meistens sowieso auf derselben Höhe wie Einfahrsignale stehen). Dazu zählen also alle technischen Einrichtungen – und nicht nur das Gebäude, in dem früher die Fahrkartenschalter waren (oder manchmal heute noch sind).

Was also häufig der Volksmund mit „Bahnhof“ meint, ist das Empfangsgebäude.

Andere Betriebsstellen dazwischen

Es gibt auch noch andere Betriebsstellen, die wie Zwischenformen anmuten und einerseits ebenfalls der freien Strecke zugeordnet werden, andererseits mitunter aber auch Rangierfahrten zulassen.

Die allereinfachste Form ist die Blockstelle (Bk) zu nennen, die einfach nur aus ein paar Blocksignalen, einem pro Streckengleis, plus Wärterhaus besteht. Die gibt es kaum noch; sie ist ein Relikt aus einer Zeit, als Streckenblöcke noch nicht automatisiert waren. Normalerweise gab es sie nur an mehrgleisigen Strecken, weil es wenig sinnvoll ist, eingleisige Strecken zwischen Bahnhöfen in Blöcke aufzuteilen.

Die einfachste Form mit Weichen ist die Überleitstelle (Üst). Auf zweigleisigen Strecken liegen hier einfach ein oder zwei Gleisverbindungen, die Zügen einen Wechsel zwischen den Streckengleisen ermöglichen. Oder es wird von einem auf zwei Gleise übergegangen, bzw. die Anzahl der Streckengleise verändert sich anderweitig. Es bleibt aber weiterhin dieselbe Strecke. Auch die Überleitstelle wird nur von Blocksignalen gesichert und hat keine Ausfahrsignale.

An Abzweigstellen (Abzw) sind mindestens zwei Strecken auf freier Strecke miteinander verbunden, und Züge können von einer Strecke auf eine andere übergehen. Auch wenn in Deutschland Strecken meistens in Bahnhöfen aufeinandertreffen, gibt es doch Abzweigstellen, z. B. mitten in Hamburg die Abzw Rainweg westlich der Holstenstraße, wo von der Verbindungsbahn zwischen dem Hauptbahnhof und Altona die Verbindungskurven Richtung Diebsteich abzweigen. Simpler fällt die Abzw Hörn südöstlich von Husum aus, wo die eingleisige Strecke aus St. Peter-Ording mit einer einzelnen Weiche an die an dieser Stelle zweigleisige Marschbahn von Hamburg nach Westerland anschließt. Seit die Gleisverbindung entfernt wurde, fahren Züge aus St. Peter-Ording das kurze Stück bis Husum im Gegengleis.

Ladegleise und Gleisanschlüsse an beispielsweise Industriebetrieben sind idealerweise Bahnhöfen zugeordnet und können von da aus per Rangierfahrt erreicht werden. Manchmal erstrecken sich solche Anschlüsse bzw. deren Zufahrten über Kilometer vom zugeordneten Bahnhof weg. Die Zufahrten können durchaus ehemalige Strecken sein, die bis zu den Anschlüssen verkürzt und dem Bahnhof, von dem sie ausgingen, als Bahnhofsgleise zugeordnet wurden, also keine Strecken mehr sind.

Solche Verladeanlagen liegen aber nicht immer an Bahnhöfen, sondern manchmal auch an der freien Strecke, wo kein Bahnhof in der Nähe ist. Hier haben wir es mit Anschlußstellen (Anst) zu tun. Anschlußstellen werden an sich von Zügen angefahren, die sich einerseits innerhalb der Anschlußstelle als Rangierfahrten bewegen (allerdings immer noch gefahren vom Triebfahrzeugführer, dafür nimmt man kein Extrapersonal mit), andererseits in Anschlußstellen aber weder beginnen noch enden (Zuggattung und Zugnummer wechseln dürfen sie), sondern müssen nach der Anschlußbedienung ihre Fahrt fortsetzen.

Dann gibt es noch die Ausweichanschlußstelle (Awanst). Die sieht im Prinzip genauso aus wie eine Anschlußstelle — bis darauf, daß sie häufig sehr viel größer ausfallen kann. Der grundsätzliche Unterschied ist: Wenn ein Zug eine Anschlußstelle bedient, bleibt die Strecke an der Stelle belegt. Wenn er eine Ausweichanschlußstelle bedient, kann die Strecke freigegeben werden, bis der Zug die Ausweichanschlußstelle wieder verläßt. So lange darf er sie aber nicht verlassen. Die Ausweichanschlußstelle hat also mindestens ein richtiges Ausfahrsignal, die Anschlußstelle nicht. Eigentlich sind Ausweichanschlußstellen schon Bahnhöfe, sie werden aber nicht als solche angesehen.

Wenn es an einer dieser genannten Betriebsstellen zusätzlich noch einen oder mehrere Personenbahnsteige gibt – eine Kombination mit einem Haltepunkt also, nicht mit einem vollwertigen Bahnhof –, wird sie zur Haltestelle. Das meint also bei der Eisenbahn etwas ganz anderes als bei der Straßenbahn oder im Busverkehr.

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