Der Fahrweg der Eisenbahn und seine Begleiterscheinungen

Wissen Sie, warum die Eisenbahn „Eisenbahn“ heißt?

Das kommt von der Beschaffenheit des Laufwegs. In der Anfangszeit verwendete man nämlich Schienen aus Gußeisen. Weil die schon unter dem damaligen, für heutige Verhältnisse leichten Rollmaterial zum Brechen neigten, stieg man auf schmiedeeiserne Schienen um. Seit Stahl zur Verfügung steht, der noch einfacher in noch stabilere Schienen zu formen geht, nimmt man den.

Auch bei den Rädern hat man früher hölzerne Radsterne mit schmiedeeisernen Radreifen beschlagen, heute fertigt man sie weitgehend oder komplett aus Stahl.

Im Vergleich zu der Kombination, die im Straßenverkehr verwendet wird – luftgefüllte Gummireifen auf Asphalt oder Beton –, hat das den Vorteil einer erheblich höheren Tragfähigkeit. Angesichts der viel höheren Massen bei der Eisenbahn ist die auch notwendig: Beim Lkw sind in Deutschland keine Achslasten über acht Tonnen zugelassen. Pkw haben meistens Achslasten von unter einer Tonne. Loks und Güterwagen dagegen haben häufig Achslasten von 20 Tonnen aufwärts.

Die Medaille hat aber auch ihre Kehrseiten. Und die größte ist nicht das lautere Abrollgeräusch, denn das läßt sich mit entsprechender Dämpfung mindern. Nein, viel schwerer wiegt die geringere Reibung.

Metall auf Metall

Auch wenn es zehn Tonnen trägt, hat ein Stahlrad auf einer Stahlschiene deutlich weniger „Grip“ als ein Luftreifen auf Asphalt, der nur eine halbe Tonne oder noch weniger trägt. Die Auflagefläche beim Stahlrad ist auch nur ungefähr so groß wie ein Fingernagel; beim Pkw-Reifen ist sie größer als eine Handfläche, von Nutzfahrzeugreifen ganz zu schweigen.

Mit diesem bißchen Reibung müssen aber zum einen vergleichsweise wahnwitzige Leistungen in Vortrieb umgesetzt werden. So manch eine Elektrolokomotive leistet pro Rad (!) umgerechnet über 1.000 PS. Die werden aber nicht gebraucht für absurde Sprint-Orgien oder wahnwitzige Höchstgeschwindigkeiten, sondern zum Ziehen von hunderten oder tausenden Tonnen an Zug. Zum anderen muß diese Tonnage auch wieder abgebremst werden, und auch das geschieht meistens – wie beim Auto – über die Räder.

Somit sind nicht nur der Traktion Grenzen gesetzt, wie wohl jeder bestätigen kann, der schon einmal im Herbst bei nasser Witterung mit einer modernen S-Bahn gefahren ist, sondern auch dem Bremsvermögen. Von Ausnahmen abgesehen sind zwar auch bei der Eisenbahn alle Räder gebremst, aber trotzdem ist das Bremsvermögen irgendwann ausgeschöpft. Es gibt ja auch kein durchgehendes ABS. Der Aufwand, in ganz Europa jede Lok, jeden Triebwagen, jeden Reisezugwagen, jeden Güterwagen (allein da gibt es Millionen) und jeden Bahndienst- und Bauzugwagen mit einer Art ABS auszurüsten, wo die meisten Fahrzeuge, darunter alle Güterwagen und alle Bauzugwagen, vorher überhaupt nur eine reine Druckluftbremse mit reiner Druckluftbetätigung und überhaupt kein elektrisches Bordnetz hatten (von Beleuchtung und evtl. Heizung in Mannschaftswagen abgesehen), wäre gigantisch. Ein ABS müßte außerdem innerhalb von Millisekunden reagieren, idealerweise in Echtzeit, und Druckluftbremsen mit bis zu einem Dreiviertelkilometer an Bremsleitung sind dafür viel zu langsam.

Eisenbahnräder können bei zu starkem Bremsen durchaus blockieren. Das kann jeder bestätigen, der schon mal bei einem Zug beim Vorbei- oder Mitfahren ein rhythmisches Klappern oder Hämmern gehört hat. Das war eine sogenannte „Flachstelle“, die dadurch entstanden ist, daß ein Rad beim Bremsen blockiert hat und über die Schiene gerutscht ist. Die gibt es auch beim Auto, aber in wesentlich kleinerem Ausmaß, und dadurch, daß Autoreifen flexibel sind (während Eisenbahnräder starre Metallteile sind), bemerkt man sie kaum.

Warum keine Reifen wie auf der Straße?

Nun wird der Auto- und Fortschrittsfanatiker natürlich fragen: Ja, warum stellt man dann nicht die Eisenbahn auf Räder wie auf der Straße mit luftgefüllten Gummireifen um, wenn die viel „besser“ sind?

Da wäre zunächst einmal die wesentlich geringere Tragfähigkeit. Man bräuchte viel mehr Räder bei gleichem Fahrzeuggewicht. Und wenn man die Züge leichter macht, werden Güterzüge unwirtschaftlich, weil jeder Zug viel weniger Ladung mitnehmen kann, aber auch jede Zugfahrt Festkosten hat, die von der Zugmasse unabhängig sind. Es ist ja so: Güterzüge sind um so wirtschaftlicher, je mehr Fracht sie transportieren, aber auch um so schwerer.

Die Tragfähigkeit wirkt sich schon dadurch aus, daß Eisenbahnräder und -schienen sehr viel schmaler sind als Autoreifen, geschweige denn Lkw-Reifen, und schon gar nicht paarweise nebeneinander montiert werden können. Vorm 2. Weltkrieg hat Michelin in Frankreich in Zusammenarbeit mit Herstellern wie Bugatti mit luftbereiften Triebwagen experimentiert, den sogenannten „Michelines“. Die waren sehr komfortabel und teilweise auch sehr schnell, weil sie das Gleis wenig belasteten. Sie machten aber irrwitzige Mengen an Achsen notwendig, um die schmalen Reifen, die ja auf herkömmliche Schienen passen mußten, nicht zu sehr zu belasten.

Na gut, kann man jetzt sagen, dann macht man eben die Schienen breiter, dann kann man auch die Reifen breiter machen. Bei der Gelegenheit kann man auch gleich zumindest die Laufflächen der Schienen auf Asphalt umstellen. Luftreifen und breite Laufflächen gibt es auch schon: bei der Métro in Paris. Da hat man sowohl die Pneu-Strecken so ausgelegt, daß da auch normale Züge mit Stahlrädern fahren können, als auch die Pneu-Züge so gebaut, daß sie auch auf konventionellen Gleisen fahren können (mit dem Nebeneffekt, daß sie auch mit einem Platten noch rollfähig sind). Aber das ist ein in sich geschlossenes und auch nicht sonderlich umfangreiches System, das mit relativ geringem Aufwand so hergerichtet werden konnte und vor allem zu nichts anderem kompatibel sein muß.

Wenn man das auf die „richtige“ Eisenbahn übertragen wollte, müßte in ganz Europa jeder Meter Gleis umgebaut werden – allein, um neben den Schienen Platz zu schaffen für die breiten Luftreifen. Dazu kommt dann auch noch, daß die Gummireifen keine Spurkränze und daher keine Seitenführung haben. Das macht Führungsrollen an den Fahrzeugen, ein System von Führungsschienen und sehr viel kompliziertere Weichen und Kreuzungen nötig.

Wenn man dann auch noch beim Entwickeln des Fahrwegs und der Fahrwerke „alte Zöpfe abschneidet“, bei null anfängt und komplett auf Kompatibilität zu bisher Dagewesenem verzichtet, weil das ja „alt“ und „veraltet“ ist, muß man binnen kürzester Zeit – am besten über Nacht am Wochenende – jedes Eisenbahnfahrzeug und jeden Meter Gleis in ganz Europa umbauen. Ich glaube, es ist klar, wie unrealistisch das ist, zumal besonders deutsche Bahnkunden sich heutzutage über jede kleine Bauaktivität aufregen, die den Betrieb auch nur in geringstem Maße beeinträchtigt. Zum Vergleich: Man wollte über Ostern 1976, also über vier Tage, das europäische Eisenbahnrollmaterial komplett von den althergebrachten Schraubenkupplungen auf automatische Kupplungen umbauen. Und selbst das wurde als unrealistisch erkannt.

Kurzlebige Luftreifen, schwer zu wechseln

Luftreifen haben auch noch den Nachteil, wesentlich wartungsintensiver zu sein. Selbst wenn man katastrophalen Folgen bei einem Platten zuvorkommt mit Stahlrädern und Stahlschienen als Rückfallebene (siehe die bereits erwähnte Métro in Paris), gehen Luftreifen doch wesentlich schneller und häufiger kaputt als stählerne Eisenbahnräder. Und das bedeutet immer eine Reparatur. Gerade Güterwagen aber werden darauf ausgelegt, mit einem Minimum an Wartung zu funktionieren. Und beladene Güterwagen tragen nicht selten auf einem Rad über elf Tonnen.

Außerdem müssen die Reifen generell wesentlich häufiger ausgetauscht werden – und das bei der Eisenbahn, wo es schon Hauptuntersuchungen (sowas wie den TÜV) nur alle acht Jahre gibt. Der dauert dann aber auch mehrere Tage und umfaßt auch schon mal aufwendigere Reparaturen oder einen kompletten Neuanstrich, und er kann nicht in jeder Kleinstadt durchgeführt werden, sondern je nach Fahrzeugart gibt es in Deutschland nur ein oder wenige Werke, bei denen das geht. Übrigens, wenn Sie an Ihrem Auto seit acht Jahren die Reifen nicht gewechselt haben, machen Sie was falsch. Zumindest Winterreifen sollten von +7°C abwärts aufgezogen werden. Das gilt dann auch für die Eisenbahn. Können Sie sich den Aufwand vorstellen bei der Lagerung derartig vieler Sommerreifen im Winter und Winterreifen über den Rest des Jahres?

Für gummibereifte Eisenbahnfahrzeuge müßten auch konstruktiv andere Wege eingeschlagen werden. Bei der Eisenbahn sind die Radsätze im Gegensatz zu Straßenfahrzeugen nämlich in den allermeisten Fällen nicht zwischen den Rädern gelagert, sondern außerhalb der Räder. Das macht breitere Rahmen möglich, die beispielsweise Wankbewegungen reduzieren und mehr Platz bieten für darin verbaute Technik. Bei Luftbereifung hätte das aber den Nachteil, daß bei einem Reifenwechsel nicht wie beim Auto das Rad zur Seite abgenommen werden kann. Da ist nämlich die Radaufhängung im Weg. Statt dessen müßte der komplette Radsatz nach unten ausgebaut werden. Auch deswegen wurden alle „Michelines“ und luftbereiften Pariser Métro-Garnituren mit Innenrahmen gebaut.

Reifenpannen überhaupt erst festzustellen, zumal während der Fahrt, ist bei Zügen auch gelinde gesagt schwierig. Beim Pkw ist das gar kein Problem: Alle Reifen befinden sich am Auto selbst, und keiner davon ist in der Regel weiter vom Fahrer entfernt als zwei Meter. Wenn da ein Reifen platzt, bemerkt man es sofort. Aber schon wenn man einen Anhänger zieht, bemerkt man dort einen Reifenplatzer kaum. Wie soll also während der Fahrt der Triebfahrzeugführer eines Güterzuges merken, daß einen halben Kilometer hinter ihm an einem Wagen ein Reifen geplatzt ist? Wenn überhaupt, bemerkt das unterwegs ein Fahrdienstleiter – nachdem der betreffende Wagen schon Dutzende Kilometer mit 100 km/h auf der Felge gefahren ist.

Gründe gegen die Verwendung von Luftreifen bei der Eisenbahn gibt es also genug.

Warum nicht gleich auf Magnetschwebebahn umsteigen?

Sollte jetzt ein noch größerer Fortschrittsfanatiker kommen und sagen, daß das Rad-Schiene-System an sich veraltet ist und eigentlich alles auf Magnetschwebebahn umgebaut gehört, weil die neuer (damit pauschal allem Älteren in jeglicher Hinsicht überlegen) und schneller ist: Da wäre der Umbauaufwand noch größer. Magnetbahntrassen sind endgültig nicht mehr mit normalen Eisenbahnfahrzeugen kompatibel. Und normale Eisenbahnfahrzeuge können auch nicht auf Magnetbahn umgebaut werden. Daher müßten alle europäischen Bahngesellschaften jeweils ihre kompletten Fuhrparks wegschmeißen und neu anschaffen, bevor wieder sowas wie ein geregelter Fahrbetrieb möglich ist.

Im übrigen glaube ich nicht, daß der Transport von Massengütern wie Kohle, Eisenerz oder Mineralölprodukten mit Magnetschwebebahnen sehr wirtschaftlich ist. Ich meine, bisher ist der Transport von Gütern mit Magnetbahnen noch nicht einmal in Erwägung gezogen worden. Man braucht einfach nicht für alles unbedingt eine möglichst hohe Geschwindigkeit, geschweige denn eine über 500 km/h. Wenn man aber alles von Eisenbahn auf Magnetbahn umstellen will, dann muß man eben auch den Güterverkehr umstellen.

Dazu kommt aber noch etwas, wenn es um Güterverkehr geht, und zwar die höhere Meterlast. Wenn man mal einen Intercity mit einem Kohlenganzzug vergleicht, dann wiegt beim Kohlenzug jeder beladene Wagen gut das Doppelte eines IC-Wagens, ist aber nicht mal halb so lang. Auf einen Meter kommt also die mehr als vierfache Masse. Bei der Eisenbahn spielt das nur eine Rolle bei Brückenlasten. Bei der Magnetbahn spielt das schon deshalb eine Rolle, weil die Elektromagneten im Fahrweg ja den ganzen Zug hochheben können müssen. Magnetbahnen wurden bisher nur mit relativ leichten Fahrzeugen für den Personenverkehr getestet. Für den Güterverkehr bräuchte man mindestens vier- bis fünfmal so starke Magneten alleine fürs Schweben. Um die Tonnage in Bewegung zu setzen und auf Geschwindigkeit zu bringen, bräuchte man sogar noch mehr.

Damit wäre auch der Energiebedarf sehr hoch – alleine schon, weil eben sehr viel mehr Zugmasse anzuheben wäre. Bei der Eisenbahn werden Massengüter in sehr langen Ganzzügen transportiert, weil das wirtschaftlicher ist. Bei der Magnetbahn würde dieser Wirtschaftlichkeitsvorteil entfallen, weil schon die Energie zum Anheben und Tragen des Zuges linear mit der Masse steigen würde.

Magnetbahn-Güterzüge würden auch mit Sicherheit nicht 500 km/h und mehr fahren. Ich meine, wenn heutzutage Fernreisezüge 300 km/h und mehr fahren, warum fahren Güterzüge, z. B. Containerzüge oder gar Massengutzüge, nicht auch so schnell? Zum einen wäre der technische Aufwand, so hohe Massen bei so hohen Geschwindigkeiten sicher zu bewegen, gewaltig und damit teuer. Schon das würde sich kaum lohnen bei den vergleichsweise geringen Einnahmen gerade im Massengutverkehr. Dem Stahlwerk ist es egal, wie schnell das Eisenerz angeliefert wird, und es wäre nicht bereit, mehr dafür zu zahlen, daß das Erz schneller gebracht wird. Und selbst Container- und Intermodalzüge fahren selten schneller als 120 km/h.

Zum anderen wäre auch der Energiebedarf, um mit so schweren Zügen so schnell zu fahren, horrende hoch. Vielleicht wäre es technisch möglich, aber wirtschaftlich wäre es absoluter Wahnsinn und würde die europäischen Güterverkehrsunternehmen – und damit den gesamten europäischen Schienengüterverkehr – binnen kürzester Zeit in den Bankrott treiben. Schwerer Güterverkehr mit 500 km/h und noch mehr wäre sogar noch unwirtschaftlicher.

Wenn man allerdings Güterzüge auch auf Magnetbahnstrecken in „wirtschaftlicheren“ Geschwindigkeitsbereichen fahren würde, hätte man die Probleme, die ein Mischbetrieb mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten mit sich bringen würde, in verschärfter Form. Zwischen über 500 km/h schnellen Reisezügen würden 100 km/h schnelle Güterzüge fahren. Um das zu bewältigen, müßten im Fahrplan die Abstände zwischen Reise- und Güterzügen noch größer werden, was den Durchsatz der Strecken gegenüber der Eisenbahn noch weiter verringern würde: Es würden insgesamt noch weniger Züge auf die Strecke passen als bei der Eisenbahn.

Eisenbahn und Magnetschwebebahn sind nicht kompatibel

Der Schienengüterverkehr lebt außerdem von seiner Reichweite. Container- und Intermodalzüge, die heutzutage einen Großteil des Güterverkehrs ausmachen und die größten Einnahmen verzeichnen, fahren häufig über tausende Kilometer quer durch Europa. Das geht deshalb, weil es bei der Eisenbahn ein gigantisches zusammenhängendes Streckennetz gibt. Magnetbahnen waren bis jetzt aber immer nur als in sich geschlossene Insellösungen vorgesehen. Und selbst wenn ein europa- oder gar eurasienweites Magnetbahnnetz gebaut werden sollte, würde es Jahrzehnte dauern, bis zum einen die Strecken gebaut und zum anderen die nötigen Fahrzeuge in entsprechenden Mengen beschafft worden sind.

Güterverkehr auf Magnetbahnen wäre zwar fortschrittlich, hätte aber sonst keine Vorteile gegenüber dem Güterverkehr auf der Eisenbahn. Dafür wäre er sagenhaft teuer und damit unwirtschaftlich, und er würde entweder den Personenverkehr auf denselben Magnetbahntrassen behindern, oder er bräuchte komplett eigene, technisch aufwendige und daher wiederum teure Fahrwege. Und dann kann man den Güterverkehr auch weiterhin auf den längst vorhandenen Stahlschienen mit längst vorhandenem und erprobtem Rollmaterial durchführen.

Auf weniger wichtigen Strecken würden Magnetbahnen sich auch im Personenverkehr nicht lohnen. Ich rede von Gegenden, die heute schon überhaupt keinen Personenfernverkehr haben, auch wenn heutzutage jeder Bürgermeister in seiner Stadt oder seiner Gemeinde gerne einen ICE-Halt hätte. Schon dafür aber müßten alle Bahnsteige auf mindestens 200 m Länge gebracht werden, damit zumindest Halbzüge (ICE 2, ICE-T, ICE 3, Kurzversion des ICE 4) da halten dürfen. Vielfach waren die Bahnsteige nie so lang, meistens wurden sie im Zuge irgendeiner Modernisierung zurechtgestutzt auf die Länge des heute dort eingesetzten Rollmaterials. Viele Strecken müßten außerdem elektrifiziert werden, was bei Tunnels und Überführungen zusätzliche Probleme mit sich bringt. Für ICE-mäßige Geschwindigkeiten müßten die Strecken zum großen Teil neu trassiert werden, weil die Kurven zu eng sind – und zwar gegen den Widerstand von Grundstückseigentümern und Bürgerinitiativen, die in ihren Hinterhöfen keine Bahnstrecke haben wollen. Sämtliche Bahnübergänge müßten durch Über- oder Unterführungen ersetzt werden, weil auf Bahnübergängen nicht mehr als 160 km/h erlaubt sind. Und das alles für eine Strecke, auf der heute alle zwei Stunden ein gut 40 m langer Dieseltriebwagen fährt, der die meiste Zeit zu nicht einmal 30% ausgelastet ist.

Eine Umstellung auf Magnetbahn würde einen kompletten Streckenneubau bedeuten, weil von der vorhandenen Infrastruktur absolut gar nichts weitergenutzt werden könnte. Der Fahrweg an sich wäre sehr viel teurer als eine Eisenbahnstrecke mit demselben Verlauf. Von Vorteil wäre nur, daß die vorhandenen Straßen nicht auf Überführungen umgebaut werden müßten – weil die Magnetbahnstrecke komplett als Viadukt über dem Erdboden gebaut würde. Bahnübergänge sind bei Magnetbahnen nämlich praktisch unmöglich, sichere Bahnübergänge sind komplett unmöglich. Im Prinzip könnte man alle Bahnhöfe neu bauen; allerhöchstens könnte man von den alten Stationen die Lage übernehmen, aber alle Bahnsteige müßten neu gebaut werden, und zwar ebenfalls in Hochlage. Das macht natürlich auch Barrierefreiheit schwieriger umzusetzen als bei einem ebenerdigen klassischen Bahnhof mit ebenfalls ebenerdigem Übergang zwischen den Bahnsteigen.

Modernisierung – aber nicht hier!

Last but not least kann man sowieso nicht davon ausgehen, daß alsbald in Deutschland jemals wieder neue Magnetbahnstrecken gebaut werden. Wenn es auch sonst an nichts scheitern soll – an Bürgerinitiativen wird es scheitern. Hierzulande kämpfen NIMBYs ja allerorts schon gegen Ortsumgehungsstraßen („An sich brauchen wir die dringend – aber auf gar keinen Fall hier!“), Windparks („Regenerative Energien? Weg von Kohle und Atom? Gerne! Aber auf gar keinen Fall hier!“) und konventionelle Eisenbahnstrecken, die sich in der Landschaft herzlich wenig bemerkbar machen. Jetzt stelle man sich statt dessen kilometerlange Betonviadukte vor, die sich mehrere Meter über der Landschaft durch dieselbe ziehen.

Und auch Umweltschutzgruppen leben in einem ständigen Widerspruch: Natürlich soll mehr Verkehr auf die Schiene verlagert und dahingehend einiges modernisiert werden, auch damit die Leute mehr auf die Bahn umsteigen und weniger alleine im Pkw herumfahren. Aber das hat bitte ohne jegliche Eingriffe in die Natur zu erfolgen. Ich meine, aus Kreisen von Umweltschützern werden ja immer wieder Streckenreaktivierungen gefordert – um dann eine Kehrtwende zu vollziehen, nachdem man festgestellt hat, daß sich auf der stillgelegten Strecke ein Biotop mit seltenen Tier- und Pflanzenarten gebildet hat. Schon kommt eine Reaktivierung nicht mehr in Frage – und ein zumindest teilweiser Streckenneubau auch nicht, weil der seinerseits auch ein Eingriff in Landschaft und Umwelt wäre.

Nun könnte man argumentieren, daß Magnetschwebebahnen relativ wenig Natur zerstören würden. Gerade weil sie auf Viadukten verlaufen, nehmen am Boden nur die Pfeiler Platz ein, und im Gegensatz zu Straßen und Eisenbahnen können Magnetbahnstrecken problemlos von Wildtieren passiert werden. Aber der Bau so einer Strecke wird zunächst einmal eine Schneise durch die Landschaft ziehen. Wenn die Naturschützer schon nicht gegen die Strecke protestieren, protestieren sie gegen deren Baustelle.

Wir werden also noch sehr lange mit Stahlrädern auf Stahlschienen fahren – und mit den Nachteilen dieses Systems leben müssen.

#Eisenbahn #Eisenbahngrundlagen #DasUnbekannteVerkehrswesen