Lasst uns wieder über Sozialismus reden!

Ein Debattenbeitrag von Dirkson

Warum Sozialismus?

Eigentlich müsste man über ganz viele Themen sprechen, so vieles scheint heute drängender zu sein, aber vielleicht sollten wir genau deswegen mal über den Sozialismus sprechen.

Für mich meint der Begriff eine soziale Alternative zum bestehenden Gesellschaftsverhältnis. Ich möchte an dieser Stelle mal ausdrücklich darauf verzichten von Systemen zu sprechen. Es ist die Empörung über die Ungerechtigkeit in den bestehenden Lebens- und Arbeitsverhältnissen, die eine Veränderung wünschenswert, ja eigentlich im unmittelbarsten Wortsinne, notwendig macht. Der Begriff ist umstritten und heute zumindest hier bei uns im konsumorientierten kapitalistischen Westen nicht mehr besonders populär, selbst unter Linken wird er mitunter gemieden. Ihm ist, wie jedem Ismus, sehr viel beigegeben aber gerade diese Beigaben verschiedenster Art behindern und erschweren den Zugang, sind deswegen Hürden und Ballast von denen ich erstmal absehen möchte.

Das Wort Sozialismus besteht aus der Vorsilbe Sozial und der Nachsilbe Ismus. Sozial beschreibt ein gemeinnütziges Verhältnis der Menschen zueinander, dass geprägt ist von der Bereitschaft zu Helfen und die eigenen Interessen zurückzustellen. Wie wir sehen, handelt es sich hier um einen Zusammenhang aus Nehmen und Geben, also einem Ausgleich von Brauchen und Haben. Es geht also um eine Balance im gesellschaftlichen Verhältnis die erst Verbindung und somit auch Zusammenhalt herstellt. Das Wort Ismus ist mit all seinen Bedeutungsbeigaben sehr schwer belastet und ich möchte es hier deswegen erstmal nur im Sinne von Richtung verwenden. Wenn ich somit von Sozialismus spreche, meine ich eine Gesellschaft, die eine größtmögliche Balance in allen Lebensbereichen anstrebt. Daraus folgt für mich, dass Sozialismus auch menschenwürdige, gerechte und herrschaftsfreie Gesellschaftsverhältnisse anstrebt zu verwirklichen.

Da Menschen soziale Wesen sind könnte man naiv annehmen, dass jede menschliche Gesellschaft sozialistisch ist, aber schon bei oberflächlicher Betrachtung stellen wir fest das dies in der „wertewestlichen“ Realität und nicht nur dort mitnichten so ist, sondern sich bestenfalls Teilbereiche (z.B. in Familien, Projektgemeinschaften u. Genossenschaften usw.) und Einzelaspekte (z.B. Sozialleistungen des Staates oder untergeordneter Einheiten, wobei hier beispielsweise im Bereich der Bildung etwa durch Manipulation und Selektion nebenher auch immer schon andere Absichten verfolgt werden) so nennen lassen. Aber immerhin, das ist nicht Nichts. Soziale Elemente sind und waren immer Bestandteil menschlicher Gesellschaften und somit nie Utopie. Eine Gesellschaft, die danach strebt, die Elemente des sozialen Ausgleichs auszubauen, sowie die Entscheidungsfindung darüber zu einem allgemeinen Anliegen durch direkte demokratische Verfahren etwa in Räten zu erheben, strebt in eine soziale Richtung, könnte also schon als sozialistisch bezeichnet werden. Es geht also weit über die sozioökonomischen Belange hinaus und berührt alle Bereiche menschlichen Zusammenlebens bis hin zu Entscheidungen über Krieg und Frieden zu anderen Gesellschaften.

Nur leben wir in einer Zeit, in der nach dem Siegeszug des Neoliberalismus viele soziale Elemente bedroht sind und da, wo es sie noch gibt, werden sie wie die Reste einer bereits vergangenen Zeit geschliffen. Man könnte auch sagen wir erleben Rückschritte und leben somit in einer reaktionären Zeit. Eine Zeit, die den einzelnen auf sich selbst zurückwirft und auch für verzichtbar erklärt. Menschenrechte und Menschenwürde werden zum Privileg, dass die Herrschenden nach Opportunität vergeben und wie es scheint nach Belieben nehmen, weil keine gesellschaftliche Kraft da zu sein scheint, die ihrem übergriffigem Tun Einhalt gebietet. Wir sehen auch wie die Schwächung des Sozialen mit der Aussetzung individueller Rechte einhergeht, ja beides sogar unter der Betitelung einer sogenannten „Solidarität“ vorangetrieben wird, aber das ist nur eine weitere sprachpolitische Obskurität. Die Verdunkelungen in solchem orwellschen Neusprech kleiden die schlimmsten Verbrechen in eine vermeintlich moralische Haltung und gipfeln in dem dystopischen Leitspruch „Krieg ist Frieden“, der die Fanatiker geradezu sehnsüchtig wertebesoffen und die Opportunisten profitgierig in den permanenten Krieg treibt , ohne die Fatalität der Richtung, in die sie abbiegen vielleicht selbst zu bemerken.

Der Krieg, die größte Geißel der Menschheit, ist die brutalste Bedrohung des Sozialen. Menschen werden getötet und misshandelt, Freunde und Familien auseinandergerissen, Wohnstätten und Heimat der Betroffenen zerstört, aber selbst diese grausame Schändung des menschlichen Lebens vermag es nicht das soziale Streben in allen Menschen abzutöten, denn auch in den schlimmsten Zeiten gab es immer Menschen die, trotz des furchtbaren Leids das sie umgab, noch bereit waren anderen zu helfen. Dennoch ist der Krieg der brutalste Ausdruck des Anti-Sozialen und Menschen, die ihn vorbereiten, initiieren, eskalieren und beispielsweise durch Waffenlieferungen in betroffene Gebiete zu seiner Verlängerung beitragen sind in keinem Fall Sozialisten. Nur eine konsequente Friedensorientierung kann in Richtung des Sozialen wirken und wer diese Einschätzung nicht teilt, ich wiederhole mich hier gerne nochmal, kann nach meinem Verständnis nicht Sozialist oder Sozialistin genannt werden. Leider mischen einige Frauen im Geschäft der Kriegstreiberei mittlerweile auch kräftig mit.

Aber kommen wir zurück zum Sozialismus, wie bereits erwähnt scheint er heute nicht mehr besonders populär. Haben sich zu den Hochzeiten der Arbeiterbewegung noch viele Millionen Menschen unter Bezugnahme auf diesen Begriff vereint sind es heute, so scheint es zumindest, nur noch wenige die von ihm eine positive Vorstellung haben. In der Protestbewegung, die sich gegen die übergriffigen staatlichen Corona-Maßnahmen formierte, aber auch in der leider zurzeit noch recht schwachen Friedensbewegung trifft man viele die ihn ablehnen. Nur warum ist das so?

Wenn man sich so wie ich es oben versucht habe dem Begriff von seiner Wortbedeutung her nähert müsste er doch für viele, wenn nicht sogar für die Mehrheit der Menschen attraktiv sein. Wer würde sich denn keine Gesellschaft wünschen in der versucht wird wahrhaft solidarisch, fair, gerecht und möglichst frei von Herrschaft miteinander zu leben? Doch eigentlich nur die, welche von Ungleichheit, Ausbeutung und Unterdrückung profitieren oder dies zumindest von sich meinen. Also muss es auch andere Gründe geben.

Der Schatten des Autoritären

Die Vergangenheit wirft einen dunklen Schatten über diesen Begriff und mit diesem Schatten sind wir dann doch im Ideologischen angekommen. Der sogenannte „real existierende Sozialismus“ spaltet die Geister. Die einen sehen in ihm den autoritären Staatssozialismus unter der bürokratischen Kaste einer Einparteienregierung, der weit davon entfernt war die Hoffnungen auf eine menschenwürdige, gerechte und von Herrschaft befreite Gesellschaft zu verwirklichen, dafür aber sich mit den eigenen Verbrechen an den Menschen versündigte. Andere sagen der real existierende Sozialismus konnte eine bis dahin unerreichte Befreiung von der kapitalistischen Ausbeutung verwirklichen und die Bilder, die seine Kritiker zeichnen, seien völlig überzogene Schreckgespenster, maßgeblich beeinflusst von antikommunistischer Propaganda aus dem kapitalistischen Westen.

Beide Lager haben Ihre Helden, Erzählungen und Traditionen, aber wohin führt der Grabenkampf, sind wir doch bisher alle geeint in der Niederlage, denn darüber dürfte Einigkeit bestehen, die Richtung stimmt aktuell, und das ist auch schon seit längerem so, ganz und gar nicht. Nun möchte ich mich hier nicht dazu auslassen, wo ich mich in diesem Spannungsfeld verorte. Außerdem muss man in Erwägung ziehen, dass beide Seiten irren und dennoch zugleich richtig liegen könnten und sei es nur in Teilen. Für den Sozialismus eintreten möchte ich aber sehr wohl, und zwar für einen, wie er mir vorschwebt, aber eines nach dem anderen.

Warum sollen wir uns immer von autoritären Ansagen leiten lassen? Nein, ich möchte viel mehr dazu ermutigen, und zwar jede und jeden einzelnen, seine eigenen Vorstellungen vom Sozialismus zu entwickeln und darüber in einen offenen Austausch mit allen zu treten die dazu bereit sind. Das kann in unterschiedlichsten Ausdruckformen geschehen, ob in Texten wie diesem hier oder irgendeiner anderen Textgattung, in Liedern oder anderen Kunstwerken. Verhelft eurem Sozialismus dazu Teil des Charakters eines neuen Kultur-Ideals zu werden. Ich denke es ist nötiger denn je, da die Herrschenden ihre Agenda durchzuziehen suchen brauchen die Menschen unbedingt eine eigene, eine Agenda für das Leben.

Zur Selbstbestimmung gehört aber auch die Bestimmung und ich fange hier mal mit meiner ersten an, die ich aktuell auch für die wichtigste halte:

Anti-Krieg – Gegen den Krieg!

Ich will keine Kriege, erst recht nicht die der Herrschenden. Ihre Kriege richten sich immer gegen Menschen, die sie unter sich sehen. Ich bin mit Niemandem im Krieg aber dafür umso mehr in einem Kampf um Befreiung!

Wir leben in einer Welt am Abgrund, die Vernichtungspotentiale der militärischen Großmächte sind für mich unvorstellbar und es sind nach wie vor überwiegend die kleinen Leute, die in den Kriegen der Imperialisten sterben, wenn diese mal wieder versuchen die Welt zu ihren jeweiligen Gunsten neu aufzuteilen oder, über das unüberwindbar machen von Grenzen, ihre Einflußsphäre zu sichern. Alle paar Dekaden treiben die Herrschenden, mitgetragen von sogenannten „Eliten“ die Menschen in ein großes Morden, immer alternativlos, wie sie behaupten. Diese zumeist akademischen Schichten, welche schon immer die Sprachchöre der Herrschenden bildeten, ließen sich bereitwillig instrumentalisieren und erzeugten als öffentlich wirksame Bevölkerungsgruppe erst ein Stimmungsbild, welches Voraussetzung für die folgenden Entwicklungen wurde. Der erste Weltkrieg, mit millionenfachen Morden und Verstümmelungen auf seinen grauenhaften Schlachtfeldern, sowie Hunger und Elend für die Daheimgebliebenen, gibt hierfür ein abscheuliches Beispiel. Wie damals sind es auch heute diese akademischen Schichten zum Beispiel in den Medien, die in kriegslüsterner Rhetorik ein Klima der unausweichlichen Gewalt herbeischreiben und wie damals verfängt diese Kriegspropaganda sich besonders gut bei jungen Menschen, die anstreben dereinst auch dem Bildungsbürgertum anzugehören. Hier wird die Proimperialistische Gesinnung nicht selten zur Voraussetzung des anvisierten Karrierewegs. Das sind alles keineswegs unbekannte Zusammenhänge, denn noch vor ein paar Jahren wussten auch die Mainstreammedien darüber zu berichten (z.B. hier: 1), was aktuelle Geschehnisse betrifft, muss man da schon in den neuen Medien suchen (z.B. hier: 2).

Für meinen Sozialismus leiten sich schon hieraus zwei wichtige und sehr eng miteinander verbundene Schlüsse ab. Er muss Anti-Elitär und Anti-Imperialistisch sein. Ja ich gebe es zu, ich hänge an meinen Anti-Einstellungen und halte sie für sehr wichtig. Wer das lieber mit affirmativen Worten wie egalitär und autonom bzw. selbstverwaltet beschreiben mag tue dies, wie ich es ja zu weilen auch mache, aber bis die Richtung der gesellschaftlichen Entwicklung stimmt bleibt das Dagegensein, also eine Verweigerungshaltung, die darauf abzielt, sich an diesen Vorgängen nicht zu beteiligen, sondern dagegen anzukämpfen, unverzichtbar.

Es ist aber nicht nur die Vergangenheit die einen Schatten wirft, auch die bestehenden Machtverhältnisse erzeugen einen wabernden Nebel voller Irrlichter. Die 68er war eine soziale Befreiungs- und Friedensbewegung mit starker Bezugnahme auf revolutionäre Positionen, gleiches gilt in ihren Anfängen auch für viele aus der Grünen Partei. Aber aus den einstigen Revoluzzern wurden Reformer und als diese an Machtpositionen kamen, waren die Reformen nur noch Reförmchen im Sinne bestimmter Kapitalinteressen. Die, die Revolutionäre blieben verschwanden nach und nach, manche unter höchst fragwürdigen Umständen, andere unter offener Gewalt wie Rudi Dutschke zum Beispiel. Aus der Bewegung wurden Apparate, die autoritäre Charaktere anzogen, welche in ihnen den Aufstieg suchten, dazu kam sicher noch finanzkräftige Unterstützung von außen und ein bisschen Schützenhilfe aus staatlichen oder privaten Organisationen für geeignete Adepten der Macht. Heute sind diese Leute, ihre Nachfolger und Nachfolgerinnen an der Macht, führen Kriege, haben Einfluss auf riesige Etats und verlängern, wie aktuell durch Befürwortung von Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, das Morden auf den Schlachtfeldern der Ukraine. Hier sieht man sehr gut die korrumpierende Wirkung der Macht, dabei will ich gar nicht allen Beteiligten dieser Jahrzehnte währenden Entwicklung ihr emanzipatorisches Hoffen und Wünschen absprechen, ich denke da kämpften einzelne lange gegen die eigenen Mühlen. Diese Apparate wirken aber, falls sie es je taten, schon lange nicht mehr befreiend für die unterdrückten Schichten in der Gesellschaft und mit ihrem proimperialistischen Kriegsengagement sind sie definitiv keine Heimstätten von sozialistischen Zielsetzungen.

Entscheidet selbst welche Last schwerer wiegt. Mir jedenfalls fällt es schwer nachzuvollziehen, warum diese zum Teil doch recht offen agierenden misanthropischen Extremisten, die heute Teil des politischen Establishments sind, überhaupt noch zur Linken gezählt werden. Naja, wir ahnen es, auch das wurzelt in Eigentumsverhältnissen, hier z.B. der relevanten Medienunternehmen und nicht zuletzt an der verheerenden Arbeit bzw. Arbeitsverweigerung der Öffentlich-Rechtlichen-Rundfunkanstalten.

Die Eigentumsfrage

Nun bin ich auch im Kernbereich der bestehenden Herrschaftsverhältnisse angelangt, den Eigentumsverhältnissen. Ich stelle fest, dass die Ungerechtigkeit in dem Missverhältnis der Anhäufung von Eigentum auf der einen Seite und das Ausmaß der Armut der Besitzlosen auf der anderen Seite skandalöse Ausmaße angenommen hat. Es steht zu befürchten, dass diese Entwicklungen sich noch verschlimmern und auch in Europa für immer mehr Menschen schmerzlich spürbarer werden. So wenige nennen so viel ihr Eigen und so viele besitzen nichts oder fast nichts. In diesem Satz liegt für mich eine ganz wichtige Unterscheidung, nämlich die zwischen Eigentum und Besitz.

Das Eigentum hat seinen Ursprung in der Landnahme, eine blutige Kette von Ereignissen bis in die heutige Zeit, und der Sklaverei, die es den durch Gewalt zu Eigentümern der Ländereien gewordenen Landräubern erlaubte, Menschen, die sie auch raubten bzw. rauben ließen oder die ihnen durch Geburt auf „ihrem“ Land in die Hände fielen und die sie zu ihrem Besitz erklärten, auf diesem Boden für sich schuften zu lassen und sich so auch noch die Früchte des Bodens weit über den eigenen Bedarf hinausgehend zu eigen zu machen.

Jean-Jacques Rousseau schrieb „Ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass die Früchte euch allen, der Boden aber niemandem gehört.“ (3)

Es entwickelte sich dann über die Enteignung des Allgemeingutes, auch Allmende genannt, welche nun alle Besitzlosen endgültig zwang, ihre Arbeitskraft für den Erhalt des Lebens zu verkaufen, weiter zum Kapitaleigentum. Die Darstellung ist sicher nicht vollständig, aber ich belasse es hier dabei. Heute gipfelt es in einem kaum mehr zu durchschauenden Kapitalunwesen, wo diese Megakapitale so viel überschüssige Liquidität anhäufen das sie scheinbar keine adäquaten Anlagemöglichkeiten in der realen Wirtschaft mehr finden, dafür aber verheerenden Schaden über ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss in der Gesellschaft anrichten. Hieraus kann sich für mich nur die Forderung nach der Kriminalisierung dieses fortgesetzten Verbrechens ergeben.

Besitz hingegen ist für mich an die direkte Nutzung des Gutes durch den oder die Besitzer gebunden. Ein kleines Grundstück mit Haus, in dem man wohnt, ein Auto, mit dem man auch selbst fährt, ein Garten, in dem man Obst und Gemüse anbaut, ein Wochenenddomizil, in dem man sich erholt oder um ein ganz einfaches basales von mir gerne verwendetes Beispiel zu bemühen, der Stuhl auf dem man sitzt, der auch gerne bei entsprechendem Reichtum einer Gesellschaft mehrere Stühle sein können. Besitz kann auch kollektiv (z.B. durch Familien, Hausgemeinschaften, Genossenschaften, Betriebsbelegschaften usw.) bestehen, muss aber immer an die dann gemeinsame Nutzung gebunden sein. Staatsbesitz hingegen ist für mich in einem konstruktiven Sinne undenkbar. Was sollte das sein? Maximal die Gewaltmittel, die der Staat auf destruktivste Weise zu nutzen weiß. Nein, in den Händen des Staates bleibt alles abseits der Gefängnisse, Kanonen und Knüppel seiner Soldaten und Polizisten Eigentum, nur dann eben das Eigentum der darüber verfügenden Kaste. Oder wie Rudolph Rocker schrieb „Der Staat kann nur sein, was er ist: der Verteidiger der Massenausbeutung und der gesellschaftlichen Vorrechte, der Schöpfer privilegierter Klassen und Kasten und neuer Monopole. Wer diese Rolle des Staates verkennt, begreift das eigentliche der heutigen Gesellschaftsordnung überhaupt nicht und ist unfähig, der Menschlichkeit neue Horizonte ihrer sozialen Entwicklung zu zeigen.“ (4)

Ich denke man erkennt an dieser kleinen Gegenüberstellung schon sehr deutlich den Unterschied in den Wesensmerkmalen der Vorgänge hinter den Begriffen Eigentum und Besitz. Auch wenn es bei beiden um die Produkte menschlicher Schaffenskraft geht, im Schlechten wie im Guten, will man deren Charakter nicht verschleiern, sollten sie nicht synonym verwendet werden. Eine sozialistische Gesellschaft wie sie mir vorschwebt würde die Eigentumsfrage über die Stärkung von Besitzrechten der Nutzer, was auch eine basisdemokratische Selbstverwaltung der Liegenschaften vor Ort bedeutet, aber auch bis zu einem wieder an die Nutzung gebundenen Erbrecht gehen kann, regeln und eine konsequente Kriminalisierung von Eigentum verfolgen. Vernünftige Umfänge und Grenzen zu bestimmen wäre Aufgabe einer gesellschaftlichen Aushandlung. Zielsetzung sollte sein Eigenverantwortung und solidarisches Zusammenwirken zu stärken, ohne die Ungerechtigkeit der Barbarei zu dulden. Mir ist bewusst, dass Ökonomie weit umfangreicher ist, z.B. Geld, Geldschöpfung, Bankwesen mit Zins und Zinseszins, um nur ein paar weitere Begriffe zu nennen, sind weitere Themen, die bearbeitet werden müssen. Da das Eigentum aber die Wurzel des Kapitals ist, ergibt sich hieraus eine weitere Folgerung für einen freiheitlichen Sozialismus, er sollte ganz klar Anti-Kapitalistisch sein. Es reicht nicht die kapitalistischen Eliten durch eine staatliche Bürokratie zu ersetzen und somit das Privateigentum in Staatseigentum zu verwandeln.

Vergesellschaftung kann nicht funktionieren, schon gar nicht auf Dauer, wenn sie nur im Namen der Besitzlosen erfolgt, erst wenn die Menschen tatsächlich, und zwar möglichst alle, zum Träger der Veränderung werden ist ihr Erhalt gesichert, davon bin ich überzeugt. Für ihren Besitz, der auch die Sicherung ihrer Lebensgrundlagen und somit die ihrer Zukunft bedeutet, werden die Menschen in der Not kämpfen. Für die Verfügungsmaße einer oberen Kaste gilt dies nicht oder nur sehr eingeschränkt, solange sie durch Zwang dazu genötigt werden können.

Wir hören außerdem von den Plänen seitens des WEF (5) um Klaus Schwab, von Zukunftsentwürfen wo Menschen in gar nicht mehr allzu ferner Zukunft nichts mehr besitzen sollen, sondern alles von Megakonzernen und oder dem Staat leihen bzw. auf Zuteilung bekommen. Die Bedingungen, an die diese Zuteilung geknüpft sein werden, sind erwartbar selbstredend von Machteliten vorgegeben, und schließen das Nachbeten vorgegebener Moralparadigmen und den Kotau vor diesen mit ein. Behauptet wird dort, diese Menschen wären dann glücklich so von der Verantwortung für den eigenen Lebensunterhalt entbunden zu sein. Mag sein das man plant diesen Glückszustand über die Verabreichung von Psychopharmaka auch nicht mehr der Wahrnehmung der Menschen selbst zu überlassen. Mir erscheint das wie eine schreckliche Dystopie, in der jeder Mensch der totalen Kontrolle und Willkür dieser Apparate, bzw. der Kaste von Menschen, die diese Apparate kontrolliert, ausgeliefert sein wird. Das erinnert doch sehr an den Großen Bruder aus George Orwells Roman 1984. Man frage die unzähligen real existierenden Besitzlosen, ob sie die Verhältnisse, unter denen sie leben als beglückend empfinden. Aber wer fragte schon jemals die Habenichtse?

Diesem alt-faschistischem Traum der Eliten, ich möchte lieber Alptraum sagen, vom Herrenmenschentum muss sich jeder freiheitliche Geist widersetzen. Deswegen möchte ich eine Gesellschaft, in der jeder ein Anrecht darauf hat, etwas zu besitzen, und zwar nach seinen Bedürfnissen zur eigenen Nutzung, wie auch zum Nutzen der Gesellschaft.

Raus aus der NATO

Wir sehen die protofaschistischen Entwicklungen in den immer autoritärer auftretenden Staaten der westlichen Welt. Seit dem Bestehen der NATO in einem aggressiven Militärbündnis vereint, scheuen Sie unter der Führerschaft der USA nicht davor zurück in Zusammenarbeit mit rückwärtsgewandten absolutistischen Monarchen, religiösen Fanatikern, kriminellen Warlords oder wie zurzeit in der Ukraine mit militanten Nationalisten ihre imperialistischen Ziele zu verfolgen.

Von rechter Seite hören wir oft dies leite eine Entwicklung zum Sozialismus ein, eine fatale Fehleinschätzung, wenn nicht, was wahrscheinlicher ist, eine böswillige Irreführung zum Zwecke der Diskreditierung durch die Kreise der Macht. Korporatismus zwischen Großkonzernen, Megakapital und Staat zum Zwecke einer militaristischen Entwicklung bei gleichzeitiger aggressiver Gleichschaltung einer Gesellschaft sind Kennzeichen einer Entwicklung zum Faschismus, der bisher brutalsten bürgerlichen Herrschaftsform. Hier überlasse ich noch mal Rudolf Rocker das Wort, der schrieb: „der Sozialismus wird frei sein oder er wird nicht sein“ (6)

Es ist also nötig frei zu werden, frei von den militärischen Strukturen der NATO, also der USA, die nach wie vor eine Besatzungsmacht in Deutschland sind, aber auch frei von den transatlantisch orientierten Eliten, die Deutschland und in maßgeblichen Teilen auch Europa wie eine Kolonie im Sinne amerikanischer Interessen, die sicher auch mit ihren persönlichen Interessen verquickt sind, verwalten. Die Sprengung der Nord-Stream Pipelines mit dem zuerst hilflosen verräterischen Schweigen der deutschen Administration und auch später das schockierend geistlose nachplappern irgendwelcher sinnfreien Erklärungsversuche, wie dem fast schon lächerlich altbekannten, man habe am Tatort Pässe gefunden, hat deutlich gezeigt, wie es um die Selbstständigkeit Deutschlands steht.

Wir brauchen freie Sozialistinnen und Sozialisten

Ich hoffe mein Beitrag hat zeigen können, dass ich mich als freiheitlichen Sozialisten verstehe und Anhänger der Idee eines Sozialismus von unten bin. Man kann diese Ideale auch mit dem Begriff der Anarchie beschreiben, muss man aber nicht.

Für Kommunisten ist der Sozialismus oft eine Art Übergangsform auf dem Weg zur Verwirklichung ihrer Utopie, dem Kommunismus. Nur die Vorstellung von so etwas als fertig Gedachtem, also einem Endzustand, überzeugt mich nicht. Menschen werden immer für ihre Belange eintreten müssen, gesellschaftliche Balance muss immer und immer wieder aktiv hergestellt werden, es ist ein fortwährender Prozess oder die permanente Revolution. Ungerechtigkeit wird die Aufrechten immer empören und die Gebückten werden an Ihnen ihre missliche Lage erkennen. Das wird nicht allen gefallen aber sie werden sich dann auch selbst nicht mehr gefallen können und somit nach Veränderung streben. Hier braucht es dann Idealisten, die Ideale von einem menschenwürdigen, gerechten und von Herrschaft befreiten Leben in die Welt tragen. Alle, die diese Ideale teilen, sollten versuchen diesen Weg gemeinsam zu gehen. Nur müssen auch die Mittel immer durch diese Ideale geleitet sein, will man die Menschen auf diesem Weg nicht verlieren. Der Zweck heiligt eben nicht jedes Mittel.

Voraussetzungen der Veränderung

Hiermit lass ich nun an dieser Stelle Rudolf Rocker, diese großartige Stimme des freiheitlichen Sozialismus bzw. des Anarchismus, ein weiteres Mal zu Wort kommen: „Auch Revolutionen können bloß die Keime entwickeln und zur Reife bringen, die bereits vorhanden und in das Bewusstsein der Menschen eingedrungen sind; aber sie können diese Keime nicht selbst schaffen und aus dem Nichts neue Welten gebären.“(7)

Wie sieht es heute mit solchen mögliche Keimformen aus? Anarcho-Syndikalisten wie Rocker sahen in den gewerkschaftlichen Zusammenschlüssen in den Betrieben die Keimzellen einer sozialistischen Zukunft und in früheren Zeiten, also vor dem Aufstieg des Faschismus (oder sagt man besser Einsatz durch die Großbourgeoisie, nicht zuletzt die finanzielle Unterstützung aus deren Kreisen legt dies nahe), mag diese Hoffnung auch nicht unbegründet gewesen sein. Heute sind, denke ich, alle etablierten Gewerkschaften parteipolitisch in das bestehende System, in Deutschland meistens über die SPD, an oder sogar direkt eingebunden. Auch wenn das im Effekt zu einer Verbürgerlichung von Teilen der Arbeiterschaft führte, dient es der Niederhaltung von Veränderungspotentialen aus diesem wichtigen Gesellschaftsfeld. Es ist kein Zufall, dass gerade unter der Regierung von Parteien in Deutschland, die fälschlich dem linken Spektrum zugeordnet werden, SPD und Grüne, kriegerische Handlungen umgesetzt werden. Nachvollziehbar hat die Führungselite der Gewerkschaften kein Interesse hiergegen Widerstand zu organisieren, sind sie doch selbst Teil der Strukturen, die sie andernfalls bekämpfen müssten.

Diese Keimzelle gibt also zurzeit wenig Anlass zur Hoffnung, abschreiben muss man sie deswegen aber nicht zwangsläufig. Die Außerparlamentarische Opposition ist der Weg wie man auch auf diese Bereiche Druck ausüben kann, wenn es gelingt relevante Teile ihrer Mitgliederschaft in einer aktiven APO zuerst für den Frieden und dann auch für ihre Interessen als Teil der Menschheit im Klassenkampf, ja für ein menschenwürdiges Leben mit Zukunft auf diesem Planeten überhaupt zu bewegen, schließlich steht durch die atomare Eskalation der militärischen Großmächte genau das auf dem Spiel.

Die Außerparlamentarische Opposition ist Raum und Gelegenheit für neue Keimformen von Veränderungspotentialen wie es die Freie Linke selbst eine ist und Aufklärung bleibt nach wie vor die wichtigste Aufgabe oder wie man auch sagen könnte, die erste revolutionäre Tat. Zur Aufklärung gehört aber auch die Vision, das Ausarbeiten und Formulieren von Alternativen für ein zukunftsorientiertes menschwürdiges Zusammenleben. Der freie Gedanke zerschlug die Kette der Unterdrückung der Menschheit und auch wenn die Herren immer neue Glieder schmieden, die vielzähligen Enden bekommen sie nie wieder zusammen, seit dem ist ihr Schicksal besiegelt, sie sind wenige und die Menschen sind viele, weswegen sie dereinst aufhören werden Herren zu sein.

Soweit ein paar Gedanken zum Sozialismus von mir. Ich würde mich freuen von euren zu hören oder zu lesen. Ich hoffe wir sehen und hören uns auf der Straße, in den Betrieben, Wohnvierteln, Kneipen und Kaffees, mit Ideen für die Köpfe und Herzen der Menschen, überall da wo das Leben ist.

Quellen: 1. https://www.sueddeutsche.de/politik/erster-weltkrieg-die-allgemeine-kriegsbegeisterung-ist-eine-maer-1.2075802 2. https://overton-magazin.de/top-story/medien-kampagne-fuer-leos/ 3. Jean-Jacques Rousseau: Diskurs über die Ungleichheit (Ed. Meier). UTB, 2008, S. 173 4. Rudolf Rocker, Anarcho-Syndikalismus, Syndikat-A Verlag, 1. Auflage 2021, S.40 (sehr schön gestaltetes Buch das ich ausdrücklich empfehle) 5. https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/509657/Keine-Privatsphaere-und-kein-Eigentum-Die-Welt-im-Jahr-2030-nach-Wunsch-des-Weltwirtschaftsforums https://www.forbes.com/sites/worldeconomicforum/2016/11/10/shopping-i-cant-really-remember-what-that-is-or-how-differently-well-live-in-2030/?sh=57d6d0d71735 6. Rudolf Rocker, Anarcho-Syndikalismus, Syndikat-A Verlag, 1. Auflage 2021, S.39 7. Rudolf Rocker, Anarcho-Syndikalismus, Syndikat-A Verlag, 1. Auflage 2021, S.82